Wolfgang Wöhrmann Facility-Management
CAFM mit Visio

Wolfgang Wöhrmann - CAFM mit Visio - Ausgangslage - Umfeld

Kennengelernt habe ich Visio, als es noch nicht zu Microsoft gehörte und mehr oder weniger ein Mal- Programm bzw. ein Programm war, welches man sehr gut zur Illustration von Berichten, Skripten usw. benutzen konnte. Es sind Hunderte sog. Shapes, d. h. bildliche Darstellungen aus fast allen Bereichen der Technik hinterlegt, die man einfach kopieren und in andere Anwendungen einfügen kann.
Enwickelt wurde das Programm Visio ursprünglich von der Firma Axon Corp. und der Öffentlichkeit im Jahr 1992 vorgestellt. Die Firma wurde 1993 in ShapeWare Corp. umbenannt und ging schließlich 1995 als Visio Corp. an die Börse.
Mit der bald darauf vorgestellten Version 5.0 wurden die Shapes dann intelligent, d. h. es wurden die Funktionalitäten zur Verfügung gestellt. die u. a. für die Realisation von Gebäudeinformations- und CAFM-Systemen benötigt werden.

1999 wurde Visio schließlich von Microsoft übernommen, die kurze Zeit später vorgestellte Version 2002 (interne Bezeichnung: Visio 10.0) trug schon deutlich die Handschrift von Microsoft, was das Aussehen und die Bedienung betrifft, oder auf neudeutsch, das "Look and Feel".
Zwischenzeitlich sind die Versionen 2003, 2007 erschienen und seit Anfang dieses Jahres ist Visio 2010 am Markt, was die Handhabung gerade für Entwickler nicht übersichtlicher macht, da man gezwungen ist, mehrere Versionen parallel zu pflegen. Obwohl grundsätzlich Abwärtskompatibilität besteht, hat sich intern doch jeweils einiges geändert. Mal wurden die nur die Namen einzelner Komponenten geändert, mal wurden Komponenten weggelassen, mal neue hinzugefügt. Einiges, was früher nicht funktionierte, funktioniert jetzt, dafür muss man sich mit neuen Fehlern herumschlagen.

Sieht man einmal von den Microsoft-üblichen Marketing-Mätzchen ab - die Schubladen von Schränken lassen sich öffnen! Wozu? Soll man hier Gegenstände ablegen? -, sind zwei große Ärgernisse geblieben bzw. im Laufe der Entwicklung entstanden:

  • Das ist einmal die völlige Überblähung des Systems mit Funktionen, Tools und Makros, die zwar funktionieren, aber die Software fast kollabieren lassen.
    Ein typisches Beispiel dafür sind die Wände (genauer: das Wand-Shape). Diese werden von Visio automatisch verknüpft, wenn man sie aneinander führt. Zieht man einen Raum (genauer: ein Raum-Shape) innerhalb eines geschlossenen Wand-Polygons, passt sich der Raum automatisch an, Fläche und Umfang werden hinterlegt.
    Konstruiert man ein kleines Häuschen mit Wänden, Räumen, Türen und Fenstern, klappt alles wunderbar. Machen Sie das Gleiche allerdings im realen, professionellen Bereich, indem Sie z.B. ein Verwaltungsgebäude mit 5 - 10 Stockwerken und pro Stockwerk mit 100 oder mehr Räumen konstruieren, und verschieben dann z.B. mehrere Räume gleichzeitig, kommt das System mit der Neuberechnung fast an seine Grenzen.
    Wenn Sie das nicht glauben, lassen Sie sich von Microsoft schriftlich garantieren, dass alleine der Bildschirmaufbau einer Stockwerksdatei eines wie oben beschriebenen Projektes unter fünf (5) Minuten liegt. Auf eine positive Antwort werden Sie vergeblich warten.
    Das hat zur Folge, dass Sie das System selber abspecken müssen, um funktionierende und schlanke CAFM-Projekte zu erhalten. Fast alle mir bekannten - auf Visio basierenden CAFM-Lösungen - gehen diesen Weg und arbeiten z.B. ohne Wände.
    Mit Word gab bzw. gibt es ähnliche Probleme bei der Abfassung großer Dokumente (über 100 Seiten mit eingefügten Grafiken). Microsoft sollte sich eigentlich mal fragen, warum 80 - 90 Prozent aller Diplom- und Doktorarbeiten heute mit Latex® und nicht mit Word geschrieben werden.

  • Der zweite Kritikpunkt ist der ständige Wechsel der Datenbankzugriffstechnologie. Der Entwickler will ja den Inhalt der Zeichnungen (Größe und Ausstattungskriterien der Räume, Anzahl und Attribute der Möbel, der sonstigen Einrichtungsgegenstände und der Personen) in einer Tabellenkalkulation oder einer Datenbank speichern und/oder abrufen können. Obwohl viele Endbenutzer, die schon jahrelang mit z.B. Excel arbeiten, eine gewisse Scheu davor haben, sind die heute gängigen relationalen Datenbanken, oder um es genauer zu sagen Datenbank-Management-Systeme, wie Access oder der SQL-Server die bessere Wahl, schon wegen der Fülle von der Auswert-Möglichkeiten mit Hilfe spezieller Berichte und Formulare. Wenn überschaubare Projekte realisiert werden sollen, reicht Access in der Regel aus, Sie können hier Daten bis zu einer Größe von 2 GigaByte speichern, das dürfte ungefähr der Datenmenge entsprechen, die bei einem Verwaltungsgebäude von 50 Stockwerken mit ca. 5000 Räumen anfällt und Raum-, Personen-, Möbel-, und Einrichtungsdaten umfaßsen. Nur darüberhinaus oder im Mehrbenutzerbetrieb ist der Einsatz einer großen professionellen Datenbank sinnvoll, wobei bedacht werden soll, dass Visio nicht multiuserfähig ist.

    DAO, die Data Access Objects war die Bibliothek der Wahl beim Zugriff auf eine Access 97 Datenbank. Mit DAO können Sie mit einer Accces-Datenbank programmgesteuert alles machen, was Sie mit der Datenbank auch so machen können, Berichte und Formulare entwerfen, Abfragen erstellen bis hin zum Datenbankentwurf selber. Man kann schlechthin sagen: DAO ist Access.

    Mit der Einführung von Access 2000 kam dann ADO, die ActiveX Data Objects, eine universelle Schnittstelle, nicht nur für den Zugriff auf Access-Datenbanken, sonder auf alles, was über eine OLE DB-Schnittstelle verfügte. Das können Tabellenkalkulationen, Textdateien und andres sein.
    ADO oder genauer die ADODB-Bibliothek war für Entwickler insofern eine große Enttäuschung, weil wesentliche Funktionen, die der Datenbankprogrammierer braucht, nicht mehr vorhanden waren. So konnte man keine Datenbanken, Tabellen oder Indizes erstellen, die Benutzerverwaltung und die Sicherheitseinstellungen waren programmtechnisch nicht erreichbar. Das änderte sich erst einige Jahre später mit der nachgeschobenen Bibliothek ADOX, den Active Data Objects EXtensions for Data Definition and Security, womit dann wieder der Stand von DAO erreicht wurde. Trotz dieser Handicaps wurde der Einsatz von ADO seitens Microsoft forciert und ADO als die Datenbankschnittstelle der Zukunft angepriesen. Alle Microsoft-nahe Entwickler fühlen sich natürlich berufen, einige abfällige Bemerkungen über DAO fallen zu lassen. Ich selbst habe erlebt, dass ein zur Veröffentlichung vorgesehenes Skript mit der Bemerkung abgelehnt wurde, es sei veraltert, ich solle auf ADO umsteigen.

    Der Paradigmenwechsel erfolgte dann mit der Vorstellung von Access 2007. Nach eigener Aussage hat Microsoft nur noch DAO für die neue Access-Version weiterentwickelt mit der offiziellen Begründung
    -> DAO gäbe es bereits seit einiger Zeit und es laufe
         inzwischen stabil und fehlerfrei
    -> DAO sei für den Einsatz der ACE-Engine (die Datenbank-
         Maschine von Access 2007) optimiert und damit schneller
         als ADO

Alle oben beschriebenen Techniken werden in praktischen Beispielen in meiner im Expert-Verlag erschienenen Monographie CAFM mit Visio vorgestellt.

Ein kurzes Wort noch zur Unterstützung von Microsoft und dem Status eines Microsoft-Partners. Als Microsoft-Partner hat man die Möglichkeit, Software zu Sonderkonditionen zu beziehen und kann auch Kontakt zu sog. Partner-Beratern aufnehmen. Wenn Microsoft - mehrfach ohne Reaktion darauf angesprochen - jedoch duldet, dass diese festangestellten Partner-Berater eigene Firmen im gleichen Geschäftsbereich wie die beratenden Partner unterhalten, ohne auch nur mit einem Wort darauf hinzuweisen, hat das - wie die Schwaben sagen würden - ein "Geschmäckle". In eben diese verquaste Situation bin ich mit einem Hamburger Microsoft-Berater aus der Baubereich gekommen, weshalb ich vor Kontaktaufnahme und Informationsweitergabe in diesem speziellen Fall nur warnen kann. Nähere Informationen stelle ich auf Anfrage gerne zur Verfügung.

Wenn Sie nach dem oben gesagten den Eindruck haben, ich hätte eine schlechte Meinung zu Visio, so ist genau das Gegenteil der Fall. Man sollte nur die Tücken und Grenzen der Software und des Umfeldes genau kennen.
Die Visio-Entwickler sagen: "Fahre nie über eine Brücke, die mit Visio konstruiert wurde." Im Umkehrschluss könnte man sagen: "Kaufe nie ein CAFM-System mit einem überdimensionierten Grafiksystem!"